Sweet Transvestite! Let’s do the time warp again! Jeder kennt wohl die Songzeilen aus dem Kultmusical „Rocky Horror Show“, das seit dem 20.Juni 2014 als Open-Air-Veranstaltung auf dem Domplatz von Magdeburg gezeigt wird. Lucy Scherer schlüpft dabei in die Rolle der Magenta und rockt als Zimmermädchen die Bühne – sexy, schräg und schrill. Impressionen von einer grandiosen Premiere …
JuH
„Mitmachen erwünscht!“ Erfahrenen Musicalfans ist diese Ansage bei einer „Rocky Horror Show“ nicht neu. Schon seit über 40 Jahren begeistert das trashige Stück von Richard O'Brien die Welt und zeichnet sich aus durch ganz eigene Rituale. So tummeln sich auch im Premierenpublikum grell geschminkte Zuschauer, behängt mit Federboa oder eingehüllt in Wissenschaftlerkittel. Manch einer hat den Reis schon im Gepäck, manch anderer besorgt sich das passende Equipment ganz bequem vor Ort. Als Komplettpaket in schwarzen Jutebeuteln verkauft das Theater Magdeburg die wichtigsten Utensilien wie etwa Wasserspritzpistole, Mundpfeife, LED-Licht und Konfetti.
Der Spaß kann beginnen, und das Publikum mischt sich ins Geschehen, schleudert Reis in die Hochzeitsszene und wird durch hochgehaltene Schilder geschickt von den Darstellern zu Zwischenrufen animiert. Dadurch finden sich selbst Laien schnell in die Show ein, kommentieren den Namen Dr. Scott konsequent mit „Who?!“ und strafen mit „Boring“-Rufen den schwafelnden Erzähler der Geschichte.
Diese handelt von dem frischverlobten Paar Brad und Janet, das nach einer Reifenpanne auf einem mysteriösen Schloss strandet und dort in die schrille Welt des Schlossherrn Frank’n’Furter rutscht. Er entpuppt sich als Transvestit aus der fernen Galaxie Transylvania und lässt die beiden an einem ganz besonderen Ereignis teilhaben. Unterstützt von seinem engsten Gefolge Riff-Raff, Magenta und Columbia erweckt der Wissenschaftler seine neuste Schöpfung zum Leben – Rocky, ein muskulöser Schönling, der ihm zukünftig als Liebhaber dienen soll. Im Laufe der Nacht erliegen jedoch auch Brad und Janet den erotischen Verführungskünsten von Frank’n’Furter. Angefixt vom zügellosen Treiben und verwirrt von ungekannten Gelüsten gerät ihr bisheriges, konservatives Leben für immer aus den Fugen …
Der rockige Sound des Stücks reißt das Publikum mit und stellenweise von den Sitzen. Überall wird mitgesungen, gegroovt und geklatscht – Partytime! Männer stöckeln in Strapsen auf High-Heels über die Bühne, Drogen kreisen und als Krönung mündet das Geschehen in eine ausschweifende Sexorgie – mal ehrlich: Ist das wirklich der passende Stoff vor einer Domkulisse? Bei der Inszenierung von Ulrich Wiggers lautet die Antwort „Ja“. Gekonnt verleiht der Regisseur dem Gute-Laune-Musical Tiefgang, bewusst mit biblischen Anspielungen und herausgearbeiteten Parallelen. Wer ist dieser Frank’n’Furter? Was macht ihn so unwiderstehlich anziehend und gefährlich zugleich?
In Magdeburg präsentiert sich der Transvestit aus Transylvania als eine negative Version von Jesus. In seinem Wissenschaftlerwahn erhebt er sich zum gottgleichen Schöpfer. Junge Menschen geraten in seinen Bann, auf der Suche nach Sinn, Ausbruch und Erfüllung. Nur bringt der selbstverliebte Frank weder Erlösung noch wahre Liebe, sondern reißt seine Anhänger in einen lähmenden Sumpf aus Sex und Rausch.
So gleicht die Entwicklung von Brad und Janet dem Dilemma von Adam und Eva: Wer einmal von verbotenen Früchten genascht und seine Unschuld verloren hat, kann nach diesem Sündenfall nicht mehr zurück und auf eine Happyend hoffen. Auch für Frank’n’Furter gibt es nach seinem letzten Abendmahl keine Rückkehr ins Paradies. Genauer gesagt zum Paradies-Planet namens Transsexual in der Galaxie Transylvania, wo offenbar bunte Geschöpfe wie Magenta und Riff-Raff ein echtes Zuhause haben, wo sie lieben und sein können, wie sie sind, jenseits von allzu starren Geschlechterdefinitionen.
Bei dieser Show stimmt das Gesamtpaket. Das Bühnenbild aus wandelbaren Schlosssäulen, zeitweise mit überdimensionalem und Hüpfburggleichen Doppelbett, wirkt originell, wohltuend unaufdringlich und zugleich harmonisch mit der imposanten Domkulisse im Off. Diese erstrahlt umso heller, als das Schloss am Ende in sich zusammenfällt. Bespielt wird der Aufbau bis zum obersten Rand, so dass die Darsteller in einigen Szenen weit über dem Zuschauerrang agieren. Zweifellos sind die bunten und detailreichen Kostüme ein Hingucker, modern inspiriert aus der Gothic-Szene.
Im auffällig jungen Cast mischen sich Newcomer mit etablierten Größen. Als absoluter Glücksgriff erweist sich der erst 25-jährige Dominik Hees. Beeindruckend souverän, erotisch und charismatisch mimt er den schillernden Verführer Frank’n’Furter. Zudem feiert Ex-DSDS-Gewinner Tobias Regner als Eddie sein rockiges Debüt auf einer Musicalbühne und Christina Patten zeigt mit ihrer ausdruckstarken Darstellung der Columbia neue Facetten. Das Magdeburger Ballett versprüht Power in den großangelegten Tanzszenen, und das Orchester sorgt sowohl bei lauten als auch leisen Tönen für einen durchgängig gelungenen, frischen Sound.
Eine Überraschung gab es gewiss für viele Lucy-Scherer-Fans bereits vor der Premiere. „Magenta? Aber Lucy wäre die perfekte Janet …“ Stimmt wohl, doch in der Inszenierung von Ulrich Wiggers wurden einige Darsteller gegen ihre gewohnten Profile besetzt, und das Experiment ist geglückt. Als schräges Zimmermädchen im Latex-Look gibt Lucy Scherer in diesem Stück Vollgas.
Mit dem Song „Science Fiction/Double Feature“ eröffnet sie die Show und präsentiert sich diabolisch lächelnd dem Publikum oben ohne, also ohne Haar. Akrobatisch balanciert sie auf einem Filmplakat(brett), gestemmt von der Crew, und schnell wird klar: Mit dieser Szene hat sich der Regisseur etwas Besonderes für sie einfallen lassen. Nach dem starken Opening ist Lucy dauerhaft auf hohen Hacken unterwegs und nahezu dauerpräsent auf der Bühne, nicht nur tanzend beim „Time Warp“. Oft herrscht in den Szenen ein enges Zusammenspiel mit Columbia, spritzig dargestellt von ihrer einstigen „Rebecca“-Kollegin Christina Patten. Besonders in komödiantischer Hinsicht geben die beiden Ex-„Ich“‘s ein Dreamteam ab, das ausgelassen und spielfreudig so manchen Lacher provoziert.
Doch Lucys Magenta ist mehr als Comedy – eine vielschichtige Figur, mal quirlig, mal high, mal lasziv, mal aggressiv, auch sehnsuchtsvoll und zerrissen. In einem spacigen Glitzer-Diskokugel-Outfit tritt Magenta die Heimreise zu ihrer Galaxie an, und Lucy schließt die Show mit der Reprise von „Science Fiction/Double Feature“. Welch atmosphärisches Schlussbild – in luftiger Höhe auf dem Kulissenrand vor dem erleuchteten Dom! Bei tosendem Applaus herrscht gute Laune, vielleicht auch Erleichterung angesichts einer Topleistung trotz Bandage und Knieverletzung.
Nach dem erfolgreichen Auftakt stehen noch weitere 17 Vorstellungen auf dem Programm. Aufgrund der Publikumsresonanz und großen Kartennachfrage – auch außerhalb von Magdeburg (surprise, surprise) – wird die „Rocky Horror Show“ 2015 erneut auf dem Theater-Spielplan landen. Mögen noch viele Zuschauer diese erfrischend neue Inszenierung erleben, mit einem blendend aufgelegten Ensemble mitfeiern, und dabei das Motto einsaugen:
„Don’t dream it – be it!“
Sweet transvestite! Let's do the time warp again! Who doesn't know these lines from the cult musical "The Rocky Horror Show", which started running as an open air event on Cathedral Square in Magdeburg on June 20th 2014. Lucy Scherer takes up the role of Magenta and rocks the stage as the maid - sexy, whacky and flashy. Impressions of an awesome premiere...
translated by hephylax
"Participation welcome!" For experienced musical fans that's not a new announcement at a "Rocky Horror Show". Richard O'Brien's tacky play has been drawing enthusiastic responses all around the world for more than 40 years and features its own rituals. And so there are also some heavily made-up people in the audience at the premiere, sporting feather boas or shrouded in lab coats. Some already came with rice in their bags, some acquired the necessary equipment conveniently on-site. Theater Magdeburg sells the most important utensils, like water pistol, siren whistle, LED-light and confetti, as a complete package in black textile (we are in Germany here) bags.
Now the fun can start, and the audience participates in the events onstage, throws rice at the wedding scene and gets encouraged to start heckling by the cast holding up signs. Thus even newbies quickly get into the show, respond to the name "Dr. Scott" with a consistent "Who?!", and punish the rambling narratorby shouting: "Boring!".
The story is about the newly engaged couple Brad and Janet, who end up at a mysterious castle when they get a flat tire and thus stumble into the garish world of the lord of the castle, Frank'n'Furter. He turns out to be a transvestite from the far away galaxy Transylvania and he allows the two of them to witness a very special event. Supported by the closest members of his entourage – Riff-Raff, Magenta and Columbia – the scientist brings his newest creature to life: Rocky, a muscular hunk, who is supposed to serve as his lover in the future. But as the night progresses, Brad and Janet also succumb to Frank'n'Furter's seductive charms. Hooked by all the debauchery and confused by hitherto unknown desires, their up to now conservative lives get completely out of control...
The rock sound of the play carries the audience away, and at times even propels them off their seats. Everywhere people sing, groove and clap with the music – it's party time! Men in garters sashay about the stage in high heels, drugs circulate and the event culminates in a rampant sex orgy - honestly: Is that really the appropriate subject matter for a cathedral backdrop? For Ulrich Wiggers' production the answer is "Yes". Skillfully the director creates depth for this feel-good-musical, and deliberately uses biblical allusions and highlighted parallels. Who is this Frank'n'Furter? What makes him so incredibly attractive and so dangerous at the same time?
In Magdeburg, the transvestite from Transylvania is presented as a negative version of Jesus. In his scientific obsession, he elevates himself to a god-like creator. Young people fall under his spell, looking for meaning, escape and gratification. But the narcissistic Frank does offer neither deliverance nor true love but drags his followers down into a debilitating quagmire of sex and intoxication.
And so Brad and Janet's development parallels the predicament of Adam and Eve: for those, who have eaten from the forbidden fruit once and have lost their innocence, there's no going back to before the fall, hoping for a happy end. And for Frank'n'Furter there is also no return to paradise after his last supper. Or more precisely, to the heavenly planet called Transsexual in the galaxy Transylvania, where apparently colorful creatures like Magenta and Riff-Raff have a real home where they can love and be who they are, beyond any too rigid gender roles.
The overall package of this show is just right. The stage design – consisting of convertible castle columns, and temporarily dominated by a colossal and bouncy-castle-like double bed - comes across as inventive, pleasantly understated and at the same time harmonizes with the imposing cathedral in the background, which shines all the more brightly at the end when the castle collapses back upon itself. The entire structure up to the uppermost edge gets used, so in some scenes the performers operate far above the audience. Without a doubt, the colorful and detailed costumes are an eye-catcher, fashionably inspired by the Gothic scene.
The conspicuously young cast is a mix of newcomers and established stars. The only 25-year-old Dominik Hees proves to be an absolute lucky find. He plays the enigmatic seducer Frank'n'Furter with impressive erotic and charismatic aplomb. In addition, the ex-DSDS (German version of American Idol or Pop Idol)-winner Tobias Regner gives his rocking debut on the musical stage as Eddie and Christina Patten demonstrates new facets with her interpretation of Columbia. The Magdeburg Ballet exudes power in the large-scale dance scenes, and the orchestra ensures a consistently excellent and fresh sound both for the quiet as well as the loud passages.
Many fans of Lucy Scherer were already surprised before the premiere. "Magenta? But Lucy would be the perfect Janet..." Probably true, but in the production by Ulrich Wiggers some actors were cast against their usual type, and the experiment works. As the whacky maid sporting a latex-look, Lucy Scherer goes full throttle in this play.
She opens the show with the song "Science Fiction/Double Feature" presenting herself to the audience with a diabolical smile and naked up top, meaning without hair. She acrobatically balances on a movie poster (board), lifted by the crew, and you soon realize that the director created something special for her with this scene. After the powerful opening, Lucy moves about on high heels for the rest of the show and is almost constantly onstage, not just dancing during the "Time Warp". In many scenes there's close interaction with Columbia, played with verve by her former "Rebecca" colleague Christina Patten. The two ex-"I"s make a dream team especially in comedic terms, and so they provoke many a laugh with their combined enthusiasm and exuberance.
But Lucy's Magenta is more than simply comedy – a multilayered character, at times lively, at other times high, lascivious or aggressive, but also yearning and torn. Magenta makes her journey home to her galaxy in a glittery disco ball outfit, and Lucy concludes the show with a reprise of "Science Fiction/Double Feature". And what an atmospheric closing image it is: at a dizzying height, on top of the upper edge of the stage structure, in front of the illuminated cathedral! When the thunderous applause begins the good mood is evident and maybe also relief in light of a top performance despite bandage and knee injury.
After the successful premiere there are 17 more shows scheduled. Due to the public response and the heavy demand for tickets – many from outside Magdeburg (surprise, surprise) – “The Rocky Horror Show” will again be part of the theater's 2015 season. May lots of people experience this refreshingly new production in the coming weeks, party with the cast and absorb the motto:
„Don’t dream it – be it!“
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Globe (Freitag, 27 Juni 2014 19:43)
Loved reading this! Thank you, JuH. (And thank you, Hephalyx for the translation.)
"It's just a jump to the left..."
Kykky (Freitag, 27 Juni 2014 20:50)
Thank you so very very much !!! The description of the show is detailed and vivid and it is able
To make me feel all the entusiasm you felt !
I so want to see this show : it is so original !
And Lucy is so brave !!! But Jenny told it : I am not scare of the hight! :))
Did she hurt her knee by the way ?
Marie (Samstag, 28 Juni 2014 15:44)
Danke für den tollen Bericht!